frei_raum für Studierende
In Zusammenarbeit mit dem Künstler und Kurator Oliver Ressler hat Magdalena Hofer, Studentin an der Universität Mozarteum Salzburg, für "Overground Resistance" im frei_raum Q21 im Wiener MuseumsQuartier ein Ausstellungsdesign entwickelt, das Räume öffnet.
Das Gespräch wurde für einen Beitrag in den Uni-Nachrichten der Salzburger Nachrichten, erschienen am 2. Oktober 2021, von Sandra Steindl (Universität Mozarteum Salzburg) geführt.
Dass Studierende bereits während des Studiums die Gelegenheit haben, auch außerhalb des universitären Kontexts Berufspraxis zu sammeln, ist von zentraler Bedeutung. Für Magdalena Hofer, Studentin am Department für Bühnen- und Kostümgestaltung, Film- und Ausstellungsarchitektur der Universität Mozarteum Salzburg, wurde dies durch eine enge Zusammenarbeit im Rahmen der Ausstellungsreihe frei_raum Q21 unter der künstlerischen Leitung von Elisabeth Hajek möglich: „Impulsgeber für unsere Kooperation mit der Universität Mozarteum Salzburg war Abteilungsleiter Univ.-Prof. Henrik Ahr. Während einer Vermittlungstour im Q21/MQ entstand bereits 2012 die Idee, Studierenden Einblicke in das interdisziplinäre Arbeitsfeld der Ausstellungsproduktion im direkten Austausch mit internationalen Kuratorinnen und Kuratoren sowie Künstlerinnen und Künstlern zu geben bzw. das Ausstellungsdesign gemeinsam zu erarbeiten. ‚Overground Resistance‘ ist bereits die 9. Ausstellung, deren Architektur von Studierenden des Departments konzipiert und umgesetzt wurde. Eine Fortsetzung unserer Kooperation im Jahr 2022 ist bereits im Rahmen der Ausstellung ‚Space of Urgency‘ geplant, auf die ich mich sehr freue.“
Für Kurator Oliver Ressler, der selbst mit den zwei Arbeiten „Barricade Cultures of the Future“ und „Overturn the Present, Barricade the Future“ in der Ausstellung vertreten ist, hat die Zusammenarbeit mit Magdalena Hofer jedenfalls wunderbar funktioniert. „Die meisten meiner künstlerischen Arbeiten basieren auf persönlichen Beziehungen zu politischen Gruppen oder kritischen Individuen. Durch die Pandemie mussten die meisten Besprechungen zur Realisierung von ‚Overground Resistance‘ über Zoom stattfinden. Magdalena Hofer gelang es trotzdem, sich mit den ausgestellten Themen und Positionen zu identifizieren. Sie hat das Thema des Klima-Aktivismus produktiv in ihre Raumarchitektur aufgegriffen und eine sehr selbstbewusste visuelle Setzung entwickelt, die den künstlerischen Arbeiten dennoch den notwendigen Raum lässt.“
Dass „Overground Resistance“ eines der wichtigsten Themen der heutigen Zeit verhandelt, war für Magdalena Hofer eine zusätzliche Herausforderung. Die Ausstellung versammelt Künstler*innen, die ihre Arbeiten im Dialog mit der Klimagerechtigkeitsbewegung entwickeln und sich als Teil der Bewegungen begreifen, die aktiv gegen den Klimakollaps ankämpfen. So werden etwa Arbeiten gezeigt, die als taktische Werkzeuge direkt in Aktionen des zivilen Ungehorsams zur Anwendung kommen.In den Arbeiten des Laboratory for Insurrectionary Imagination sind Kunst und Aktivismus derart miteinander verwoben, dass die beiden Sphären unmöglich voneinander zu trennen sind. Beachtlich ist außerdem, dass vier Künstler und Künstlerinnen einen indigenen Background haben und die entsprechenden Kämpfe aus Chile oder den US von direkt Beteiligten thematisiert werden.
Besondere Bedeutung für Magdalena Hofer hat das Leporello der Künstlerin Rachel Schragis. Es ist ein Ablaufdiagramm, das aus Erfahrungen resultiert, die die in Brooklyn lebende Künstlerin als Mit-Organisatorin des People’s Climate March 2014 machte. In Workshops wurden (junge) Menschen für die Klimakrise sensibilisiert und motiviert, sich politisch zu aktivieren und konkrete Aktionen durchzuführen. „Auch in Österreich und sogar in Salzburg gibt es verschiedenste Organisationen, Gruppierungen und Einzelpersonen, die an konkreten Lösungen im Bereich Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Ernährungssouveränität arbeiten. Die Szene ist vielfältig und zeigt eine große Bandbreite von Lösungsansätzen. Für Mobilität ebenso wie für kommunale Planung. Es ist eine bewusste Entscheidung, ob mich die Welt in ihrem Fortbestand interessiert oder eben nicht“, so Magdalena Hofer.
Macht man sich den Zustand der existenziellen Gefährdungen bewusst, führt das oft zu Angst, Aggression oder Passivität. Diese Ausweglosigkeit kann in einem Tunnelblick resultieren, dessen Visualisierung der Ausgangspunkt für Hofers Ausstellungsarchitektur bildet. „Sobald wir uns aus dieser Schockstarre lösen, eröffnen sich jedoch Räume, Handlungsräume, für die stellvertretend die künstlerischen Arbeiten von ‚Overground Resistance‘ stehen.“ In ihrer Ausstellungsarchitektur geht Magdalena Hofer also zunächst vom Motiv des Engpasses aus. Denn auch in der kapitalistischen Ökonomie, so der Ansatz von „Overground Resistance“, in der die zentrale Ursache für die Klimakrise liegt, wird die (künstliche) Verknappung von Ressourcen eingesetzt, um Preise und neoliberale Politiken zu diktieren. Diese Verknappung, konkret die Verengung der Handlungsmöglichkeiten von Individuen, führt allerdings auch zu Widerspruch und zu Formen des Widerstands, die in der Ausstellung erfahrbar werden.
Als Sitzmöbel dienen umfunktionierte gepresste Kartonballen. Sie verweisen auf den bewussten und rücksichtsvollen Umgang mit Ressourcen. Mit dem Ende der Ausstellung werden die Kartonballen wieder zu Altpapier und dem Recycling zugeführt. Der ökologische Fußabdruck der Sitzgelegenheiten geht gegen Null.
„Die Arbeit an einer Ausstellung in einem der größten Kulturareale, dem MQ Wien, zu einem auch für mich so wichtigen Thema war für mich wie ein Sprung ins kalte Wasser. Durch die intensive Begleitung von Elisabeth Hajek und Henrik Ahr von Anfang an war der Übergang vom Konzept zur Umsetzung aber ein fließender, und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt verloren gefühlt. Es war Platz für meine Zweifel und inhaltlichen Gedanken. Die konstruktive Arbeitsweise von Oliver Ressler hat mich schwer beeindruckt. Im Kunst- und Architekturumfeld zu sozialen Bewegungen zu arbeiten ist etwas, das ich auch in Zukunft nicht missen möchte“, resümiert Magdalena Hofer.
„Overground Resistance“ ist eine Ausstellung, in der es nicht um reine Abbildung oder Dokumentation geht. Es geht um die Herstellung von Beziehungen zu sozialen Bewegungen, in die sich Künstlerinnen und Kulturproduzenten aktiv einbringen. Magdalena Hofer wurde ein Teil davon. Auch für sie haben sich Räume eröffnet.
Overground Resistance, kuratiert von Oliver Ressler
Dauer: bis 21.11., Di bis So 13-16h & 16.30-20h, Eintritt frei
Ort: frei_raum Q21 exhibition space/MuseumsQuartier Wien
www.Q21.at
Teilnehmende KünstlerInnen:
Tiago de Aragão (BRA), Lauren Bon and the Metabolic Studio (USA), Noel Douglas (GBR), Francisco Huichaqueo (Mapuche Nation/CHL), Gilbert Kills Pretty Enemy III (Hunkpapa Lakota of the Standing Rock Sioux Tribe/USA), Kathy Jetn̄il-Kijiner & Aka Niviâna (MHL/GRL), Laboratory of Insurrectionary Imagination (FRA), The Natural History Museum (USA), Oliver Ressler (AUT), Rachel Schragis (USA), Seday (FRA), Jonas Staal (NLD), Tools for Action (HUN/NLD)