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Yann Gonzalez über Details, Sexualität und Sehnsucht in seinen Filmen

Interview

Yann Gonzalez über Details, Sexualität und Sehnsucht in seinen Filmen

Ein Interview mit Filmemacher und Produzent Yann Gonzalez, der gerade als Artist-in-Residence im MuseumsQuartier zu Gast ist.

Yann, du wurdest einmal als „Meister der Hommage mit einem unglaublichen Blick fürs Detail" beschrieben – wie gehst du generell ans Filmemachen heran?

Ich versuche immer, meinen Charakteren treu zu bleiben, ihre Emotionen durch den Maßstab des Kinos, der immens ist, zu vergrößern und manchmal sind es tatsächlich Details, die den Unterschied in einer Szene ausmachen. Die Farbe eines Outfits, ein bestimmter Akkord in der Musik, der Tonfall einer Stimme...: Meistens ist es irrational und es ist unmöglich wirklich zu verstehen, woher eine Emotion kommt also muss man auf seinen Instinkt vertrauen und natürlich auf seine Mitwirkenden, denn die Auswahl der richtigen Crew und Besetzung ist wahrscheinlich das Wichtigste, wenn man einen Film macht.

Du bist dafür bekannt, dass du in deinen Filmen viele verschiedene Genres miteinander kombinierst und die Zuschauer: innen auf eine oft provokante Reise in neue Welten mitnimmst. Was macht für dich den Reiz aus, verschiedene Genreelemente und unterschiedliche filmische Ausdrucksformen zu mischen?

So bin ich als Filmliebhaber aufgewachsen: keine Hierarchie zwischen Filmen und ganz allgemein zwischen Pop- und klassischer Kultur... Das ist wahrscheinlich eines der aufregendsten Dinge, wenn man einen Film macht: eine Verbindung zwischen dem Alten und dem Neuen, dem Edlen und dem Obszönen, ein Mischmasch aus gegensätzlichen kulturellen Referenzen zu schaffen.
Die Suche nach dieser Überschreitung oder diesem Bruch ist eine Herausforderung, die manchmal zu sehr interessanten und merkwürdigen Emotionen führt.

Es ist eher unkonventionell das Filmgenre Porno ins Kino zu integrieren. Was willst du mit der Einbeziehung von Elementen dieses Genres erreichen? Wo siehst du Potenzial, das das Mainstream-Kino vielleicht noch nicht entdeckt hat?

Ich mag es, mit Tabus zu kokettieren, Bilder zu vermitteln, die man im Kino nicht zu sehen gewohnt ist. In den 70er- und 80er-Jahren sahen sich die Leute Pornos in normalen Kinos an, umgeben von Fremden, es war eine kollektive Erfahrung. Aber mit der VHS und dem Internet wurden sie immer mehr zum Tabu, fast schon beschämend für Betrachter:innen – etwas, das man mit niemandem teilt, es sei denn, man ist super offen und emanzipiert. Wenn man also diese Pornoelemente oder diese Hyper-Erotik wieder auf die Leinwand bringt, manchmal in einem „normalen" Film, dann erinnert das daran, dass Sexualität ein poetisches, politisches, manchmal sogar träumerisches Gut sein kann. Diese sexuelle Radikalität ist der Kern der meisten meiner Lieblingswerke, sei es in der Literatur mit Jean Genet, Monique Wittig oder Heather Lewis (ich habe erst kürzlich Notice entdeckt, ein verstörendes und alptraumhaftes Meisterwerk), oder im Kino mit Curt McDowell, Fred Halstead, Barbara Hammer. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen...

In deinen Filmen geht es um Themen wie Lust, Begehren, Sehnsucht und Sex – was bedeutet Sehnsucht für dich?

Sehnsucht ist wie das Verlangen nach einem Traum, den man nie ganz erreichen kann. Sehnsucht IST Kino.

Wie verarbeitest du Sehnsucht in deinen Filmen, wie können Filme Gefühle der Sehnsucht ausdrücken?

Ich versuche, einen sicheren Raum für die Schauspieler:innen zu schaffen, in dem sie ihre zerbrechlichsten und intimsten Gefühle zeigen können. Emotionen als provozierte „Unfälle".

Während deiner Residency im MQ planst du an einem weiteren Spielfilm zu schreiben. Wie ist da deine Vorgehensweise? Und wie funktioniert der Prozess des gemeinsamen Schreibens mit Judith Sonnet, wenn ihr euch an verschiedenen Orten befindet?

Jeder Film geht mit einem anderen Prozess einher. Judith ist eine der fantasievollsten Personen, die ich je getroffen habe. Sie ist noch nicht einmal 30 und hat bereits Dutzende von Romanen und Hunderte von Kurzgeschichten geschrieben... Sie bringt eine Menge Exzesse, Monster und übertriebene Elemente in das Projekt ein und ich liebe es! Bei „Spook", dem Drehbuch, an dem wir gerade schreiben, versuchen wir, diese Kombination aus Liebe und Horror, die es schon in „Hideous" oder „Knife+Heart" gab, weiter voranzutreiben. Das ist ziemlich befreiend und kathartisch, fast schon eine Frage des Widerstands angesichts der hasserfüllten und reaktionären Zeit, in der wir leben.

 

Yann Gonzalez © Gabrielle Desjean

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Das Interview führte Anna Carina Roth von VIENNA SHORTS.
Konzept & deutsche Übersetzung: Magdalena Winkelhofer, MQ Wien

Abbildungen: © Yann Gonzalez

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