Reflecting on Time: Ein Gespräch mit Driton Selmani
Der kosovarische Künstler Driton Selmani nimmt mit poetischen und humorvollen Arbeiten unsere Wahrnehmung der Realität auseinander. Dabei macht er auch nicht vor großen Konzepten wie Zeit, Raum, Politik und Geschichte halt. Bis zum 21. April ist seine Lichtinstallation „Only Time Will Tell“ im MQ Haupthof zu sehen. Im Gespräch mit dem MQ Journal geht er auf ihre Hintergründe ein.
Driton, deine Installation „Only Time Will Tell“ wurde als Aufforderung beschrieben, aktiv zu werden, die Gegenwart und Zukunft mitzugestalten. Wo sollten wir anfangen?
„Only Time Will Tell“ geht der Idee nach, dass Zeit nur durch die Wahrnehmung des menschlichen Geistes existiert. Jeder Moment ist nur ein Fragment – nur so lange real, bis er vergeht, während die Zukunft rein in unserer Erwartung existiert. Für mich zeigt das, dass Zeit ein Konstrukt unserer Vorstellungskraft ist. Letztendlich fühlt sie sich eher zyklisch als linear an – eine Erkenntnis, die uns dazu ermutigt, unser Verhältnis zur Gegenwart zu überdenken und wie wir das, was kommt, gestalten.
Deine Arbeiten befassen sich oft mit Themen wie Identität und Zugehörigkeit. Wie viel von dir selbst steckt in „Only Time Will Tell“?
Die Arbeit enthält zwar einen persönlichen Zugang, geht jedoch über die individuelle Erfahrung hinaus um zu einem „Rendez-vous der Erfahrungen“ für andere zu werden. Dabei greift sie übergeordnete Themen wie Identität und Zugehörigkeit auf. Sie ist ein intimes Denkmal für persönliche Geschichten, aber auch eine bewusste Aussage, die die Betrachter:innen einlädt, über ihr Verständnis von Zeit, Raum und den Komplexitäten politischer und historischer Zusammenhänge nachzudenken.
Mein Verständnis von Zeit orientiert sich an der empirischen Philosophie von Denkern wie David Hume und George Berkeley. Diese besagt, dass unsere Realität durch individuelle Beobachtungen gefiltert wird und das, was wir wahrnehmen, nicht unbedingt mit einer objektiven Wahrheit übereinstimmt.
Die Installation verkörpert diese Ambiguität und fordert die Betrachter:innen heraus, sich mit den fließenden Grenzen zwischen persönlicher Erinnerung und kollektiver Geschichte auseinanderzusetzen. In diesem Sinne spiegelt das Werk einen Teil von mir wider – meine Beschäftigung mit den Grenzen des Verstehens und dem Versuch, Subjektives und Universelles in Einklang zu bringen.
Worte spielen eine zentrale Rolle in Ihrer Arbeit – gibt es Dichter:innen, von denen du dich inspirieren lässt?
Ich würde nicht sagen Dichter:innen, aber ich fühle mich vom Unbekannten angezogen – es fasziniert mich. I Don’t Believe In Poets, But In Poems, Yes. Bei meinem Umgang mit Sprache geht es nicht darum, eindeutige Beschreibungen zu liefern, sondern vielmehr darum, das Geheimnis und die Komplexität zu erkunden, die den Worten und ihren Bedeutungen innewohnen.
Ich setze mich oft mit der Periode vor der Alphabetisierung, in der das Hören als Glauben galt, auseinander. Die Einführung des phonetischen Alphabets veränderte diese Dynamik, indem es die magische Welt des Gehörs durch die neutrale, analytische Welt des Sehens ersetzte. Wie William Wordsworth schrieb:
„Das Auge ist zum Schauen da,
das Ohr gemacht zum Hören,
soll ich gebieten allen Sinnen gar,
dass sie mich nicht betören?“
Für mich ist Sprache ein kraftvolles Medium, um Gedanken anzuregen, Emotionen hervorzurufen und gesellschaftliche Normen herauszufordern. Worte sind mein primäres künstlerisches Werkzeug, das ich in verschiedenen Formaten und Kontexten einsetze, um das Publikum eindringlich anzusprechen. Sie ermutigen mithilfe von Paradoxen zu einer Neubewertung von Annahmen über Zeit und Erfahrung. Letztendlich haben Worte das Potenzial, Wahrnehmungen neu zu formen, Reflexionen auszulösen und sogar die simulierten Realitäten in Frage zu stellen, in denen wir oft gefangen sind.
Eines deiner Werke sagt „I wish you were a plastic bag so that you could be eternal“. Welche Rolle spielen aktuelle ökologische Fragen in deiner Kunst?
In der Gegend in der ich lebe sind ökologische Bedenken unausweichlich. Ich habe mir Plastik nicht als Medium ausgesucht - es ist einfach überall. Aber ich beobachte, höre, fühle, erinnere mich und stelle Fragen*, indem ich es, im Gegensatz zu Peter Handkes Ansatz zu Tragödien und Stille, neu kontextualisiere.
*Zitat von Peter Handke
Apropos „eternal“: Welche Aspekte deiner Arbeit sollen Sie in die ferne Zukunft überdauern? Was sollten die Menschen daraus mitnehmen?
Die einzige bleibende Bedeutung liegt im Humor – zeitlos, scharfsinnig und widerstandsfähig. Guter Humor überdauert Epochen und hat kein Verfallsdatum. Er entwaffnet, verbindet und offenbart Wahrheiten, die über flüchtige kulturelle Kontexte hinaus bestehen. Ich suche ihn, verkörpere ihn und pflanze ihn als Samen für die Zukunft – eine leise, aber kraftvolle Macht, die beeinflusst, wie wir die Komplexitäten des Daseins navigieren und interpretieren.
Driton Selmani, geboren 1987 in Ferizaj, Kosovo. Er lebt und arbeitet derzeit zwischen Prishtina und Doganaj. Sein Masterstudium absolvierte er an der Arts University Bournemouth, UK. Er hat an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter im Stacion Center for Contemporary Art Pristina, Ludwig Múzeum Budapest, Kunstraum Niederösterreich Wien, Casa São Paulo, Mediterranea Biennale 16 Ancona, U10 Belgrad, 5. Marrakesch-Biennale, u.v.m.
Das Interview wurde von Bernardo Vortisch geführt.