01.09.2022 bis 30.10.2022 - EIKON Schauraum
Veranstalter: MQ Kulturmieter:innen
Sinta Werner: Korrektur der Gegenbewegung
FREIER EINTRITT, KUNST
Eröffnung: Do 01.09., 19h
„Werners Kunst untersucht das Verhältnis von Zwei- und Dreidimensionalität, von Realität und Abbild, von virtuellem und realem Raum. Ihre Installationen erschaffen raffinierte Scheinräume und führen vor Augen, dass unsere Wahrnehmungen kulturell präfiguriert sind. Offensichtlich wird etwa immer aufs Neue, wie sehr die in der Renaissance wiederentdeckte Zentralperspektive – und mit ihr die Vorstellung, die Welt objektiv abbilden, durchblicken und beherrschen zu können – in unseren Sehwerkzeugen bis heute wirkt. Grundlegende fotografische Funktionsprinzipien wie die Festlegung des Betrachter:innenstandpunkts oder die Rahmung des Blicks nützt die Künstlerin gezielt, um Sehroutinen nachhaltig zu irritieren. Für einige ihrer Werke hat Werner Bearbeitungstools aus dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop in den dreidimensionalen Raum überführt.“ (Katharina Manojlovic, EIKON #119, S. 26)
„Korrektur der Gegenbewegung“ thematisiert die Raumwahrnehmung der Großstadt in der Bewegung. Es entstehen Eindrücke des Fragmentarischen und Flüchtigen, wie man sie aus Transitsituationen kennt. Der Blick aus dem fahrenden Auto durch Gitterstrukturen hindurch verwandelt die vorbeiziehenden Fassaden in rauschende Störbilder. Im Vorübergehen ruft die Ansicht von Jalousien hinter reflektierenden Schaufensterscheiben Bilder urbanen Flirrens hervor. Die grafische Struktur des Novotel in Wien, welches aus dem Zug heraus aufgenommen wurde, wird in rhythmische Architekturfragmente übersetzt. Sich wiederholende Sequenzen, die vibrierende und pulsierende Muster hervorrufen, das Auge überfordern und keinen Fixpunkt finden lassen, erinnern an visuelle Mittel der Op-Art. Das Raumverständnis des spezifisch Städtischen ist geprägt von der Vorstellung des Flusses und der Beschleunigung. Für „Korrektur der Gegenbewegung“ wird die Flächigkeit des fotografischen Mediums aufgebrochen und durch die Verdrehung der Streifen in eine räumliche und gleichzeitig filmische Struktur übersetzt. Für den EIKON Schauraum hat Sinta Werner eine ortsspezifische Arbeit entwickelt, die auf die spezielle Situation des schaufensterhaften Ausstellungsraums eingeht. Durch die Passage wird die Arbeit im Vorbeigehen wahrgenommen: Der sich dabei ändernde Standpunkt des Betrachtenden aktiviert die dreidimensionale Fotoarbeit und lässt sie als Bewegtbild erscheinen. Die Bewegung entlang des Bildes greift die Laufrichtung des Passanten im Stadtraum auf und interpretiert den Aggregatzustand der Stadt als Fluss und Beschleunigung.
Sinta Werner war im März 2020 und im August 2022 als Q21-Artist in Residence im MuseumsQuartier Wien zu Gast. Der Künstlerin ist ein umfassender Hauptbeitrag in EIKON #119 gewidmet.
Sinta Werner (geb. 1977 in Hattingen, Deutschland) studierte an der Kunsthochschule Berlin Weißensee sowie der UdK in Berlin, am Hunter College, New York, und am Goldsmiths College in London. Sie lebt und arbeitet derzeit in Berlin.
Bild: Korrektur der Gegenbewegung III, 2015 © Sinta Werner