AJNHAJTCLUB
Eröffnung
Di 05.07., 19hZeitraum
06.07. bis 04.09.2016Öffnungszeiten
Di-So 13-16h, 16.30-20hEintritt
freiPresseführung: Di 05.07., 10h
KünstlerInnen:
ATK!* (BEL), Evelyn Benčičová (SVK) & Adam Csoka Keller (SVK/CAN), Ljubomir Bratić (AUT), Juan Pablo Cámara* (ARG/NLD) & Michele Rizzo* (ITA/NLD), Leyla Cárdenas* (COL), Olga Dimitrijević* (SRB), Mladen Đorđević (SRB), HOR 29 Novembar (YUG/AUT) & Turbo Tanja (SRB/AUT), Nikola Knežević* (SRB/NLD), Marko Lulić (AUT), Claudia Maté* (ESP), Milan Mijalkovic (MKD/AUT), Miroslav Mikuljan (HRV), Vladimir Miladinović (SRB), Goran Novaković (AUT), Josip Novosel* (HRV), Bernd Oppl (AUT), Krsto Papić (HRV), Antonis Pittas* (GRC/NLD), Marta Popivoda* (SRB), Roberto Uribe-Castro* (COL/NLD), Addie Wagenknecht (USA) u.a.
*Artist-in-Residence des Q21/MQ
Kurator: Bogomir Doringer (SRB/NLD)
Ausstellungsdisplay: Martin Hickmann, Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Bühnen- und Kostümgestaltung, Film- und Ausstellungsarchitektur
Lichtdesign: ATK!*
Österreich feiert heuer das fünfzigjährige Jubiläum des am 4. April 1966 in Kraft getretenen Abkommens mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, das legale, freiwillige Arbeitsmigration ermöglichte, und damit das Phänomen der GastarbeiterInnen in Erscheinung treten ließ. Artikel 9 dieses Abkommens regte die Förderung des kulturellen und sozialen Lebens dieser mobilen Arbeitskräfte an, was in der Folge zur Gründung von über hundert Arbeiterklubs führte. Der Künstler und Kurator Bogomir Doringer kehrt nach dem internationalen Erfolg seines Projekts „FACELESS“ mit einer neuen Ausstellung ins MuseumsQuartier Wien zurück. „AJNHAJTCLUB“ untersucht die Geschichte der GastarbeiterInnen vor dem Hintergrund dieser Klubs, die nicht nur als Freiräume zur Pflege und Förderung kultureller Identität und zur Herstellung eines Zusammengehörigkeitsgefühls verstanden wurden, sondern auch der Nostalgie gegenüber der alten Heimat ein Ventil boten. Die Eröffnung findet am Dienstag, den 5. Juli ab 19 Uhr statt, bereits um 10 Uhr gibt es eine Presseführung. Der Eintritt ist frei.
Zur Feier des 50. Jahrestags der Community in Österreich und als Geste der Dankbarkeit gegenüber diesen Frauen und Männern aus der SFR Jugoslawien – nunmehr Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro, Mazedonien, Kosovo sowie Bosnien und Herzegowina – öffnet der „AJNHAJTCLUB“ (ausgesprochen wie EINHEITKLUB in der Bedeutung JEDINSTVO KLUB) im frei_raum Q21 exhibition space im MuseumsQuartier Wien. Vermittelt durch zeitgenössische Kunst und Forschung soll der „Klub“ die Geschichte dieser MigrantInnen mit ihrer heutigen Situation verbinden und so einen Ausblick in die Zukunft ermöglichen. Obwohl man sie fast nur noch von alten Schwarzweißfotos kennt, gibt es GastarbeiterInnen bis heute. Die Ausstellung ist ein buntes Panorama dieses Phänomens, das bis zu dreidimensionalen Avataren, moderner Folklore, interaktiven Performances und Interventionen reicht.
Die Kunstwerke gruppieren sich rund um die monumentale Projektion von Marta Popivodas* Filmessay „Yugoslavia: how ideology moved our collective body“, der einen sehr persönlichen Blick auf die Geschichte des sozialistischen Jugoslawiens und seines tragischen Endes wirft. Die Archivaufnahmen zeigen nicht nur die Macht der Ideologie, 5.000 Menschen als Kollektiv zu bewegen, sondern auch, dass die Menschen im Kollektiv die Macht haben, die Ideologie zu vernichten.
Die Vielfalt der Werke, die in der Ausstellung zu sehen sind, zeigt sich u.a. an den verfremdeten Skulpturen sozialer Wohnbauten von Bernd Oppl, die auf die Instabilität und auf die Mängel solcher Bauwerke verweisen. Im Vergleich zu anderen Ländern zwang die EU Österreich ziemlich spät dazu, GastarbeiterInnen in soziale Wohnbauten ziehen zu lassen. Gleich daneben befindet sich die „festliche Karaokebar“ von Olga Dimitrijević*. Auf Grundlage von Gesprächen, die die Künstlerin mit Gastarbeiterinnen verschiedener Altersgruppen führte, dichtete sie deren Lieblingslieder um. Diese Lieder können BesucherInnen nun in der Karaokebar singen, um die Leben dieser Frauen zu feiern. Die speziell entwickelte Ausstellungsgestaltung von Martin Hickmann, Universität Mozarteum Salzburg, wird durch Lichtinstallationen des Künstlerduos ATK!* zum Glühen gebracht.
„AJNHAJTCLUB“ bietet zudem eine Bühne für Eigeninitiativen wie den Hor 29. Novembar. Bei diesem 2009 in Wien von Alex Nikolić und Saša Miletić mitgegründeten Chor kann mitmachen, wer möchte. In den Worten der Soziologin Rosa Reitsamer steht er für eine „politisch engagierte Tradition der Popularmusik, die Kritik an einem geografisch definierten Kulturverständnis und ethnisch argumentierten Nationalismen mit der Sichtbarmachung der kulturellen Vergangenheit von MigrantInnen, insbesondere ihrer Popularmusik verbindet, und für Förderung des Dialogs zwischen den Generationen“ (Popular Music and Society, 2015). Anlässlich der Ausstellungseröffnung wird der Chor von Turbo Tanja, dem berühmten Star des Wiener Klubs Lepa Brena, verstärkt. Der „AJNHAJTCLUB“ heißt seine Gäste auch zu den neuen Tanzaufführungen willkommen, die die Gast-Performancekünstler Juan Pablo Cámara* und Michele Rizzo* auf ihren Besuchen beim hiesigen KUD Stevan Mokranjac (serbisches Folklorezentrum) entwickelten.
Die 3D-Animation von Claudia Maté* schließlich ist eine unheimliche Montage sexuell aufgeladener Bilder, die sich aus milieuspezifischen Schilderungen in den Massenmedien speisen. Ihre „Avatare“ sind verführerisch und charmant, man sieht ihren Ursprung und ihre Bedeutung nicht auf den ersten Blick. Man erfreut sich an ihnen, obwohl es sich zugleich falsch anfühlt. Maté beschäftigt sich mit der voyeuristischen Lust, die wir aus der distanzierten Beobachtung von Migrationsphänomenen beziehen. Ihre Avatare verweisen auf den Zusammenhang zwischen alter und neuer Migration und bringen Beispiele ihrer Ausnutzung.
Vladimir Miladinović* fertigte eine vergrößerte Handkopie des Dokuments zur „Gastarbeiteranwerbung“ an. Er thematisiert und kommentiert damit die Einstellung des bürokratischen Staatsapparats zu den FremdarbeiterInnen. Bestimmte Passagen des Abkommens hervorhebend verweist er auch auf die Auswirkungen der Wortwahl auf deren spätere Stellung in Österreich.
Ljubomir Bratić, Mitarbeiter des Projekts „Archiv der Migration“ wird einen Teil seiner gesammelten Objekte innerhalb der Ausstellung zeigen. Zudem war er auch als Berater während der Recherchen zur Ausstellung aktiv.
Die ersten GastarbeiterInnen trugen wesentlich zum Wachstum der österreichischen Wirtschaft bei, und die „Integration“ der Folgegenerationen hat viele zu ÖsterreicherInnen gemacht. Milan Mijalkovics Großformatfotos zeigen einen Bauarbeiter in heroischer Haltung auf der Baustelle. Im Rahmen der Eröffnung wird es zudem die Performance „wir müsst arbeiten“ mit fünf symbolischen „Arbeitern“ in Zusammenarbeit mit „Roter Teppich für junge Kunst“ geben. Das Werk ist auf einer symbolisch aus Ziegelwerk gemauerten Wand platziert, die Roberto Uribe-Castro* geschaffen hat. Gemeinsam feiern diese beiden Arbeiten die Leistungen der GastarbeiterInnen. Evelyn Benčičová & Adam Csoka Kellers Fotografien zeigen ArbeiterInnen in normalerweise nicht sichtbaren Einrichtungen und öffentlichen Räumen in Wien, von denen viele einen ex-jugoslawischen Hintergrund haben. Sie machen deutlich, warum die zweithäufigste Sprache in der Stadt Serbokroatisch ist.
Der Titel der Ausstellung wird in ex-jugoslawischer Diktion ausgesprochen. Da viele Neuankömmlinge in Österreich nicht Deutsch sprachen, war diese Diktion oft das Bindeglied zwischen den Kulturen, worauf Goran Novaković aka Goxilla in seiner Arbeit Bezug nimmt.
Zudem wird im „AJNHAJTCLUB“ exklusiv der aktuelle Dokumentarfilm des Regisseurs Mladen Đorđevićs mit dem Arbeitstitel „GASTARBEITER STORIES“ vorab gezeigt. In dem Werk in Spielfilmlänge geht es um Menschen auf dem Weg, die ihre Heimat verlassen, aber ihr Ziel noch nicht erreicht haben und daher immer im Dazwischen, immer unterwegs sind.
Die Ausstellung untersucht das Phänomen der GastarbeiterInnen. In manchen Ländern Europas erinnert man sich daran mehr als in anderen. In Österreich ist es zwar tief im Alltag verwurzelt, historisch jedoch weitgehend unaufgearbeitet. Allein der Ausdruck GastarbeiterIn ist zu pauschal, weil er jene, die infolge des Abkommens aus den 1960er- Jahren kamen, mit allen jüngeren Migrationsgenerationen vermengt.
Das Ausstellungsprojekt „AJNHAJTCLUB“ findet in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres und dem Österreichischen Integrationsfonds statt. Für die Ausstellungsarchitektur zeichnet erneut die Abteilung für Bühnen- und Kostümgestaltung, Film- und Ausstellungsarchitektur der Universität Mozarteum Salzburg verantwortlich.
Interviews
Hoch lebe Mica Miletić!
Die Dramatikerin und Dramaturgin Olga Dimitrijević öffnete im AJNHAJTCLUB ihre „JubiläumsKaraokebar“, in der das Publikum Lieder singen kann, deren Texte auf die Lebensgeschichten exjugoslawischer, in…