Maurice de Martin
Bereich: Installationskunst, Theorie
Key Facts
Nationalität
DeutschlandBereich
Installationskunst, TheorieWohnort
BerlinEmpfehlende Institution
TONSPUR Kunstverein WienZeitraum
November 2015 - November 2015Transdisziplinärer Künstler, Musiker, forschender Künstler, Hochschuldozent.
Nach 25 jähriger Karriere als experimenteller Musiker bewegt sich de Martin heute als transdisziplinär arbeitender Künstler in sozial-kontroversen Kontexten und konzipiert dort Projekte, die einen intensivierten Dialog zwischen den Künsten, Wissenschaften und den "Experten des Alltags" intendiert. Sein Artistic-Action-Research-Projekt "Maurice ist da!" in Deutschlands größtem Plattenbauviertel und sozialen Brennpunkt Berlin-Marzahn hat europaweit Anerkennung erfahren. Er ist seit 2011 Mitglied des österreichischen FWF Forschungsprojekts Andere Räume-Knowledge through Art. Im Rahmen dieses Projekts beforscht er zusammen mit der Regisseurin Janina Janke die Hauptquartiere der Vereinten Nationen in Wien, Nairobi und New York City und war dafür residierender Künstler des UN-Hauptquartiers NYC. De Martin hat an der Hochschule der Künste Bern ein Master-Diplom in Contemporary Arts Practice erworben und ist dort seit 2009 in unterschiedlichen Fachbereichen (Y- Institut für Transdisziplinarität, Theater, Musik und Forschung) als Dozent aktiv. De Martin ist seit 2000 festes Mitglied des internationalen Ensembles zeitkratzer und war über vier Jahre musikalischer Leiter an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz. Er ist weltweit als Musiker, Künstler und Forscher aktiv und hat bis heute 56 Tonträger veröffentlicht, konzipiert Ausstellungen im Bereich der zeitgenössischen Kunst und hält Vorträge in kunst-wissenschaftlichen Kontexten. De Martin ist Begründer der Temporären Kunstakademie Marzahn.
Morgenarbeit – Eine Hippodromophonie
Mehrkanalkomposition von Maurice de Martin über die ursprüngliche Nutzung des heutigen MQ-Areals als Pferdestallung anhand einer auditiven Annäherung an die Lippizanerhengste der Spanischen Hofreitschule Wien.
Projektkonzept für die TONSPUR_passage im Q21 (im MuseumsQuartier Wien)
Der französische Philosoph Paul Virilio hat in seiner Kultur-Theorie der Dromologie das Pferd als „erste Erweiterung des Fußes als genuines Fortbewegungsmittel des Menschen“ beschrieben. Es spielt damit eine wesentliche Rolle in der Entwicklung unserer Kultur, die sich nach Virilio anhand der graduellen Beschleunigung in der Fortbewegung bis zum „rasenden Stillstand“ heute beschreiben lässt.
Das Areal des heutigen MuseumsQuartiers im 7. Bezirk wurde im 18. Jahrhundert als Hofstallung für die römisch-deutschen Kaiser errichtet. Neben einer riesigen Pferdestallung gab es dort auch ein Amphitheater in Form eines Oktagons für „Carousellspiele“. Heute erinnert nur noch der Torschmuck mit den Pferdeköpfen über den Passagen an die langzeitliche Präsenz hunderter edler Pferde am Ort.
Als ortspezifisch arbeitender und historisch fokussierter Künstler ist es für mich eine hoch interessante Aufgabe, mein künstlerisches Ohr auf die klassische Wiener Reitkunst zu richten und damit den Besuchern des MQ die ursprüngliche Funktion dieses weltweit renommierten Kunst-Ortes auf akustische Art in die Aufmerksamkeit zu rufen. Hierfür möchte ich auf Einladung des künstlerischen Leiters des TONSPUR Kunstverein Wien, Georg Weckwerth, ab Ende November 2015 für die TONSPUR_passage im Q21 (im MuseumsQuartier Wien), und zum Anlass des 450. Jubiläums der Spanischen Hofreitschule, ein akustisches „Hippodrom“ erschaffen.
Mit dieser Komposition Morgenarbeit – Eine Hippodromophonie würdige ich einerseits das kunstvolle Zusammenwirken zwischen Pferd und Reiter*in und beziehe mich zugleich auf Virilio’s Kulturtheorie der exponentiellen Beschleunigung.
Als Grundlage und Ausgangspunkt für meine Komposition möchte ich mich für eine angemessene Zeit in die Spanische Hofreitschule begeben, um dort bei diversen Trainingseinheiten anwesend zu sein und in unmittelbarer Nähe zu den Lipizzanerhengsten und ihren Reiter*innen mit sensiblem Aufnahmegerät ausgestattet ein Archiv an Feldaufnahmen anzufertigen.
Gerne stelle ich mir schon heute die Klangkulisse vor, die mich dort erwarten wird: Die Tiere schnauben, stampfen, galoppieren, es klingt ein dumpfes Stakkato auf dem Parcours, rhythmische Galopp-Bewegungen, komplexe Brems- und Beschleunigungs-Gesten werden vom Mikrophon zur daraufhin erfolgenden künstlerischen Verarbeitung im Studio aufgezeichnet. Die Reiter geben Befehle, sprechen mit den Tieren. Sicherlich ergibt sich „beim näheren Hinhören“ eine noch viel komplexere akustische Situation, als ich sie mir aus der Berliner Distanz vorstellen kann.
Diese Aufnahmen würden das Grundmaterial für meine Mehrkanal-Loop-Komposition von ca. 15min Länge bilden, die ich im Folgenden direkt vor Ort im Kontext einer Artist-in-Residence im Q21 (im MuseumsQuartier Wien) erarbeiten und in enger Kooperation mit den Verantwortlichen für die TONSPUR_passage fertigstellen werde.
Meine Achtkanalkomposition soll die edlen Pferde nicht nur akustisch als Phänomen, sondern auch als klangliche Architektur für kurze Zeit zurück ins MQ bringen, denn sie wird in ihrer akustischen Raumbewegung die Form des von Kaiserin Elisabeth errichteten „Pferdecaroussel“-Oktagons (heute die Bibliothek des Architekturzentrum Wien) adoptieren und in den Kunstraum der TONSPUR_passage raumklanglich übersetzen.
Ich kann mir gut vorstellen, wie man als Besucher*in dann überraschend in einen Pferdeparcours hineingerät, wenn man die Klangpassage durchschreitet und der „TONSPUR für einen öffentlichen raum“ lauscht.
TONSPUR 67: Maurice de Martin (GER): Morgenarbeit – Eine Hippodromophonie
Klanginstallation und Posterserie in der TONSPUR_passage
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